Pio und die Rothang-Bayern
„Hey du!” Pio schaut von dem Fußball
auf, der ihm gerade vor die Füße gerollt
ist. „Schieß den Ball rüber!”
ruft Turbo. Pio holt mit dem rechten Fuß aus und
tritt mit Wucht in den kleinen Erdhügel direkt
vor dem Ball. Erde und Steine fliegen hoch und eine
kleine Staubwolke breitet sich aus. Der Ball hat sich
keinen Zentimeter vorwärts bewegt. Ein paar von
den Jungen lachen schallend. Pio wird es heiß
bis zu den Ohren. Er bückt sich, nimmt den Ball
mit den Händen auf und wirft ihn zu Turbo. „Danke”,
sagt Turbo und lacht ein bisschen. „Nur weg hier”,
denkt Pio. Dabei kommt er jeden Samstag an den Bolzplatz
hinter dem Werksgelände. Zwei Hände voll von
den Jungen aus der alten Werkssiedlung spielen dann
immer. Turbo, Düse und Stefan haben vor ein paar
Wochen damit angefangen. Immer mehr Jungen sind dazu
gekommen. Pio schaut zu. Die anderen Jungen kennt er
sowieso nur vom Sehen. Und ihre Namen schnappt er auf,
wenn sie sich im Spiel zurufen. „Hintermann, Turbo!”
„Gib ab, Düse!” Er traut sich nicht
zu fragen, ob er mitmachen kann. Erst recht nicht, seitdem
Turbo die roten Shirts mitgebracht hat. Sein Vater arbeitet
bei Duogema. Das ist so eine Firma, die Sportbekleidung
herstellt. Die roten Shirts haben einen Aufdruck auf
der Rückseite. „Rothang-Bayern” steht
auf jedem Shirt und eine Zahl dazu. Turbo trägt
die 7. Aus Turbo und den anderen ist eine richtige Mannschaft
geworden. Vor zwei Wochen haben die Rothang-Bayern gegen
Rothang 05 gespielt. Rothang 05 ist die Vereinsmannschaft.
Die haben sich zuerst lustig gemacht, als sie die Shirts
gesehen haben. „Zieht den Bayern die Lederhosen
aus!” haben sie gegrölt. „Na, du Weißwurst”,
hat der Mannschaftskapitän der 05er zu Turbo gesagt,
als sie sich im Mittelkreis beim Anpfiff gegenüberstanden.
Turbo hat gelacht und später drei Tore geschossen.
Trotzdem ist es nur ein 4:4 geworden. „Willst
du dein Rothang-Bayern – Kleidchen nicht gegen
unsere 05er Tracht eintauschen?” hat der Mannschaftskapitän
nach dem Spiel Turbo gefragt. „Nö”,
hat der geantwortet. Pio wäre enttäuscht gewesen,
wenn Turbo Ja gesagt hätte. Turbo ist kein Verräter.
„Warte mal!” ruft Turbo Pio hinterher. Pio
dreht sich um. „Willst du nicht mitkicken?”
Pio schluckt. „Der trifft den Ball doch nicht!”,
lacht einer von den anderen Jungen. Turbo geht zu seiner
Tasche und holt ein Rothang-Bayern – Shirt heraus.
„Hier!” sagt er und hält es Pio hin.
„Probier mal, ob es passt!” Pio holt tief
Luft. In weißen Buchstaben steht es auf dem roten
Shirt. „Rothang-Bayern”. Und die 4 steht
darunter. „Die 4 hat noch niemand”, sagt
Turbo. Pio zieht hastig sein Hemd aus. Er schlüpft
zuerst mit dem rechten und dann mit dem linken Arm in
das Shirt. Dann steckt er seinen Kopf durch den Ausschnitt
und zieht sich das Shirt über den Oberkörper.
Ein bisschen groß ist es. Aber es fühlt sich
so gut an. „Rechtes Mittelfeld”, sagt Turbo.
„Du heißt Pio, oder?”
Pio rennt zur rechten Mitte des Platzes. Das Shirt flattert
ein wenig. Beim Training spielen die Rothang-Bayern
immer gegeneinander. Ein paar von den Spielern tragen
deshalb ein grünes Band über dem roten Shirt.
Damit man weiß, wer zu wem gehört. Turbo
macht den Anstoß. Düse bekommt den Pass.
Pio rennt ein paar Meter in die gegnerische Hälfte.
„Für dich, Pio!” schreit Düse
und schlägt eine Flanke. Halbhoch kommt der Ball
geflogen. Pio stoppt ihn mit dem Oberschenkel ab und
legt sich den Ball einen Meter vor. Ganz leicht geht
das auf einmal. Er zieht mit dem Ball am Fuß vier
Schritte nach innen und schaut nach den anderen im roten
Shirt ohne grünes Band. Einen der anderen dribbelt
er noch aus. Der hat keine Schnitte. Turbo läuft
in den Strafraum. „Pass!” schreit er. Pio
zirkelt den Ball über die zwei Verteidiger auf
Turbos Kopf. Der muss nur noch einnicken. „Super!”
schreit Turbo. „Wo hast du das gelernt?”
will Düse wissen. „Das muss am Shirt liegen”
lacht Pio und trabt langsam zum Mittelkreis zurück.
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